Führen mit Freiräumen: Rückblick auf Ralph Eichler

Ralph Eichlers Wahl zum ETH-Pr?sidenten war ein Paukenschlag nach einer politisch turbulenten Phase. Auch sein letztes Jahr als Pr?sident ist politisch gepr?gt. Kennzeichnend für seine Amtszeit sind Wachstum, Internationalisierung und Nachhaltigkeit.

Viel wurde über Ralph Eichlers Wahl zum Pr?sidenten der ETH Zürich geschrieben. Er selbst sagt, dass er bis zuletzt nicht damit rechnete, dass ihn der ETH-Rat vorschlage. Dann ging es schnell, und am 30. Mai 2007 hatte ihn der Bundesrat gew?hlt. Ein Pr?sident wider Willen war er dennoch nicht: ?Wenn ich mich entscheide, dann habe ich mich entschieden?, sagt er.

So ist er. So spricht er: kurz, treffend, ohne Umschweife. Festreden und ?ffentliche Auftritte sind nicht wirklich seine Sache. Am liebsten kommuniziert er sparsam, m?glichst die Fakten. Ein Beispiel: Danach gefragt, was er vorhat, wenn er ab Januar 2015 nicht mehr ETH-Pr?sident ist, sagt er kurz: ?Meine Kunden werden jünger. Ich werde Stiftungsratspr?sident von ?Schweizer Jugend forscht?.?

Die ETH ist anders

Umstellen musste er sich am Anfang seiner Amtszeit: Wohl hatte er Führungserfahrung als Leiter einer internationalen Kooperation am Beschleunigerzentrum DESY in Hamburg und als Direktor des Paul Scherrer Instituts, ?doch die ETH Zürich zu führen, ist etwas ganz anderes?, sagt er, ?die 500 Professorinnen und Professoren sind angestellt, um unabh?ngig zu denken und zu handeln – sie führt man nicht auf Kommando, sondern mit Freir?umen.?

Als ETH-Pr?sident k?nne er nicht gleich auftreten wie zuvor als Physiker, hatten ihn ETH-Ratspr?sident Fritz Schiesser und seine Assistentin, Annamarie Jezler, zu Beginn leise ermahnt: ?Das empfand ich als Kompliment?, sagt Ralph Eichler, ?die Bodenhaftung des Physikers wollte ich nicht verlieren.? Dieser Haltung entspricht sein Führungsgrundsatz: ?Gut zuh?ren, alle Meinungen anh?ren, dann entscheiden, Verantwortung übernehmen und allf?llige Fehler korrigieren.?

Auf gleicher Augenh?he

Mit Gespr?chspartnern auf gleicher Augenh?he zu sprechen war Eichlers Leitsatz, wenn er Angeh?rigen der ETH oder anderer Universit?ten begegnete. Zum Beispiel Patrick Aebischer: Er anerkenne die grosse Leistung, die der Pr?sident der EPFL für seine Hochschule und für die Schweiz vollbracht habe, ?und wenn wir verschiedener Meinung sind, dann diskutieren wir das im ETH-Rat, nicht ?ffentlich. Daran haben wir uns seit 2007 gehalten.?

Ralph Eichlers Amtszeit kennt einige Meilensteine: Die ETH ist stark gewachsen und heute noch internationaler. Zwei neue 澳门美高梅金殿 wurden gegründet (D-HEST, D-USYS), der ETH-Standort in Basel (D-BSSE) weiterentwickelt, das erste Forschungszentrum im Ausland etabliert (Singapore-ETH Centre), das Supercomputingzentrum CSCS neu positioniert und gemeinsam mit IBM das Binnig und Rohrer Nanotechnologiezentrum in Rüschlikon er?ffnet. Dank der ETH Zürich Foundation lassen sich strategische Vorhaben schneller umsetzen.

Dahinter steckt viel Arbeit: ?Freizeit hatte ich als ETH-Pr?sident nicht. Dafür das Privileg, dass ETH-Pr?sident zu sein eine hochinteressante Aufgabe ist?, sagt Ralph Eichler, und es passt zu ihm, dass er die Verdienste der ganzen Schulleitung hervorhebt. ?Wir sind als Schulleitung immer als ein Team aufgetreten. So haben wir uns das Vertrauen in unsere Arbeit erworben.?

Gesch?tzt hat er, wie sich Heidi Wunderli-Allenspach und Lino Guzzella für die Gleichwertigkeit von Lehre und Forschung in der Strategiefindung einsetzten; wie Peter Chen und Roland Siegwart neue Plattformen der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft einführten; wie Roman Boutellier die Standortentwicklung baulich vorantrieb – und er achtet die Leistung von Robert Perich, dem ersten ?Nicht-Professor? in der Schulleitung. Mit ihm habe die Finanzplanung der ETH ein neues Qualit?tsniveau erreicht.

Beeindruckt haben Ralph Eichler die Studierenden: ?Mit ihnen kann man rational diskutieren.? Gefordert haben sie ihn – sei es bei den Studiengebühren oder bei der Ausarbeitung des Energieleitbilds.

Mehr ?ETH-Feeling?

Ihr Anliegen, mehr zu tun, um die Bindung der Abg?nger zu st?rken, begrüsst er: ?Das ?ETH-Feeling? zu vermitteln, das einen stolz macht, der ETH anzugeh?ren und ihre Alumni zu sein – das k?nnen wir verbessern.?

Einmal sei er ins Fettn?pfchen getreten, sagt er, als er die Hochschulversammlung hinterfragte. Heute sagt er: ?Die Hochschulversammlung ist wichtig für die ETH. Sie fordert die Schulleitung, damit wir die beste Leistung erbringen.?

Welches Fazit zieht Ralph Eichler am Ende seiner Amtszeit? ?Die ETH Zürich ist grundsolide aufgestellt und sehr gut unterwegs. Sie trifft in der Schweiz auf sehr viel Wohlwollen.? Sorgen bereiten ihm gleichwohl die Schweizer Einwanderungspolitik und der Teilausschluss aus den europ?ischen Bildungs- und Forschungsprogrammen: ?Wenn man unsere Studierenden und Forschenden aus dem internationalen Wettbewerb ausschliesst, trifft das die ETH hart.?

Zuletzt sagt er, der Privates selten anspricht: ?Meine Enkelkinder hüten – das werde ich gerne tun.?

Neue Schulleitung: Start am 5. Januar 2015

Am 5. Januar tritt Lino Guzzella sein Amt als Pr?sident der ETH Zürich an. Mit ihm treten Sarah Springman als Rektorin und Detlef Günther als Vizepr?sident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen ihre Aufgaben in der Schulleitung an. Von den bisherigen Schulleitungsmitgliedern weiter im Amt bleiben Robert Perich, Vizepr?sident für Finanzen und Controlling, sowie bis Ende 2015 Roman Boutellier, Vizepr?sident für Personal und Ressourcen. Die Stabsübergabe ist am 15. Dezember.

Dieser Artikel erschien in Life, dem Magazin für die ETH-Community.

Lesen Sie den Artikel zum Abschied von Roland Siegwart, Vizepr?sident Forschung und Wirtschaftsbeziehungen.

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