Wissenschaftler für einen Tag

Best?uber beobachten, Blumen z?hlen, Artenvielfalt einsch?tzen: Im Rahmen der Aktion ?Lernfeld? bringen junge Forscherinnen und Forscher Mittel- und Oberstufenschülern die wissenschaftliche Arbeits- und Herangehensweise n?her.

Lernfeld
Hilfe zur Selbsthilfe: ETH-Forscher Ivo Beck erkl?rt zwei Schülern, wie sie die Interaktion von Best?ubern und Pflanzen erforschen k?nnen. (alle Bilder: ETH Zürich / Peter Rüegg)

Es ist Mai, doch davon ist an diesem grauen wolkenverhangenen Morgen nichts zu spüren. ?ber das Wiesland streicht ein kühler Biswind und fr?stelnde Schülerinnen und Schüler stehen in Gruppen auf einer Schafweide. In der N?he rauscht der Verkehr von Dintikon über die Bünzstrasse ins nahe Wohlen.

Mit zwei Klappmetern haben die Jugendlichen einen Quadratmeter Boden markiert, nun sind sie daran, die auf diesem Flecken vorkommenden Pflanzen zu bestimmen. Nur drei verschiedene haben sie gefunden, die erst noch schwierig zu identifizieren sind, da Schafe die Pflanzen bis auf den Grund abgefressen haben. Weissklee, Hirtent?schelkraut, Gr?ser. Nun müssen die Schüler die Individuen z?hlen, was einigen schwerf?llt. ?Hier ist ja alles das gleiche?, ruft ein Schüler. ?Müssen wir das wirklich ausz?hlen??

Ja, sie müssen. Die Aufgabe der 9. Kl?ssler ist es n?mlich, im Rahmen des Umweltbildungs- und Dialog-Programms ?Lernfeld? (s. Kasten) eine kleine wissenschaftliche Arbeit auszuführen. Und da z?hlt das Quantitative genauso dazu wie das Qualitative.

Beobachten lernen

Das Ziel von ?Lernfeld? ist, dass Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse bis Ende der Gymnasialstufe mittels vorgegebenen Lernaktivit?ten die Rolle der Landwirtschaft in Bezug auf die Themen Biodiversit?t und Klimawandel erkunden.

Zu den Lernaktivit?ten geh?rt unter anderem, die Pflanzenvielfalt in stark und wenig genutztem Kulturland zu untersuchen, Insekten bei Blütenbesuchen zu beobachten oder herauszufinden, wie sich Blüten und Best?uber aneinander anpassen – und dies mit einfachen wissenschaftlichen Methoden.

Junge Hochschulforscher als Tutoren

Zust?ndig für deren Vermittlung sind Master- und Doktoratsstudierende von Schweizer Hochschulen – wie Ivo Beck, technischer Assistent am Institut für Graslandwissenschaften der ETH Zürich. Für ihn ist die halbj?hrige Lehrveranstaltung sogar Teil des Curriculums des Departements Umweltsystemwissenschaften, und er erh?lt dafür einen Kreditpunkt. ?Auf diesen k?nnte ich verzichten, ich mache das freiwillig und gerne?, sagt Beck. ?Mir ist es viel wichtiger, dass ich hier Lehrerfahrung sammeln kann.?

Der 31-j?hrige Wissenschaftler hat sein Studium abgeschlossen. Er studierte Physik und spezialisierte sich auf Klima und Atmosph?re. Nun ist er daran, den didaktischen Fachausweis zu erlangen, um sp?ter als Physiklehrer zu arbeiten.

Die Schüler, die in den Genuss der ?Lernfeld? -Aktivit?ten auf dem Land von Biobauer Ueli Meyer kommen, haben sich w?hrend mehreren Lektionen auf die Feldforschungsarbeit vorbereitet. Wie bei einer richtigen Forschungsarbeit, mussten sie sich ins Thema Biodiversit?t einlesen und daraus einen Einleitungstext für ihre Arbeit formulieren. Ebenfalls im Vorfeld formulierten sie eine Hypothese, welche anhand selbst erhobener Daten überprüft werden soll. Vor Ort wird jetzt m?glichst genau beobachtet, beispielsweise Insekten, die Blüten besuchen, und dies minuti?s protokolliert. Auswerten werden sie die Daten danach im Schulzimmer. Zum Abschluss werden die Schülerinnen und Schüler ihre Befunde mit Experten und Kameraden diskutieren und daraus den Diskussionsteil ihrer Arbeit formulieren.

Den kleinen Unterschied festhalten

?Lernfeld bietet wohl den meisten Jugendlichen zum ersten Mal eine Gelegenheit, sich mit Pflanzen, Insekten oder dem Thema Biodiversit?t auseinanderzusetzen?, sagt Beck. Sie k?nnten sich spannende Details anschauen, biologisch und konventionell bewirtschaftetes Land vergleichen. ?Viele erkennen sehr bald einen Unterschied zwischen intensiv genutztem oder etwa biologisch bewirtschaftetem Land.? Er sei überzeugt, dass das, was sie in der Praxis erlebten, l?nger in Erinnerung bleibe als das, was sie trocken im Schulzimmer lernen.

?Sie sollen lernen, Fragen zu stellen, zu vermuten, zu beobachten und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen?, betont auch Nicole Müller, Bezirksschullehrerin in Wohlen, die ihre Klassen bereits zum zweiten Mal für die ?Lernfeld? -Aktivit?ten angemeldet hat. Zusammen mit Ivo Beck und dessen Kollegen Luca Bussani von der Uni Bern unterstützt sie die Schülerinnen und Schüler bei der Arbeit. ?Es ist klar, dass sie in den wenigen Stunden nur einen kleinen Einblick in die Feldforschung erhalten k?nnen.?

Die studierte ETH-Umweltnaturwissenschaftlerin findet es trotzdem wichtig, am ?Lernfeld?  teilzunehmen: ?Bei diesem Projekt lernen die Schülerinnen und Schüler nicht nur das Forschen kennen, sie k?nnen ihr Wissen auch gleich anwenden und überprüfen. Sie erhalten darüber hinaus auch noch einen Einblick in die Landwirtschaft, was für viele heutzutage nicht mehr selbstverst?ndlich ist.?

Den Unterschied im Kopf behalten

Für die Jugendlichen ist tats?chlich vieles, was sie an diesem Morgen sehen und h?ren, neu und teilweise auch nicht einfach. ?Das ist eine ziemliche Herausforderung?, sagt einer von zwei Jungs, die vor ihrem Klappmeter-Quadrat am Boden kauern, mit Smartphone und Bestimmungsbuch in der Hand. Sie führen gerade eine Vegetationsaufnahme durch, um die Biodiversit?t eines wenig genutzten Krautstreifens einzusch?tzen. Sie sind voll bei der Sache, bestimmen mit digitalen und analogen Hilfsmitteln eine Blume als Pyren?en-Storchenschnabel, eine andere als Wiesenpippau.

?ber eine spezielle Botanik-App laden die Jugendlichen Bilder hoch und erhalten postwendend Vergleichsbilder von ?hnlichen Arten. Stimmen Foto und Internetmaterial überein, notieren sich beiden Jugendlichen den Artnamen und z?hlen, wie viele Exemplare der Pflanze auf dem beobachteten Quadratmeter stehen.

Beck ist zufrieden: ?Ich hoffe sehr, dass sich die Jugendlichen ein paar der Pflanzen merken k?nnen, sodass sie dieses Wissen auf einem Sonntagsspaziergang wieder abrufen k?nnen?, sagt er. Das Ziel von ?Lernfeld? sei schliesslich auch, junge Menschen für Biodiversit?t zu sensibilisieren. ?Ich f?nde es auf jeden Fall toll, wenn sie auch im sp?teren Leben artenreiches von artenarmen Kulturland auf einen Blick unterscheiden k?nnen.?

Wie die ETH Zürich an ?Lernfeld? beteiligt ist

?Lernfeld? ist ein Umweltbildungs- und Dialog-Programm, das die Themen Biodiversit?t und Klimawandel im Zusammenhang mit der Landwirtschaft erforscht. Die Untersuchungen laufen gr?sstenteils auf Bauernbetrieben in der N?he der Schule. Koordiniert und angeboten wird ?Lernfeld? von der Organisation ?Globe? (Global Learning and Observations to Benefit the Environment), einem internationalen Bildungsangebot für alle Schulstufen von der Volksschule bis und mit Gymnasium. Das Programm wurde 1994 in den USA unter dem Patronat des damaligen Vizepr?sidenten Al Gore lanciert. 2017 waren 117 L?nder und 30'000 Lehrpersonen eingebunden. Die ETH-Gruppe für Graslandwissenschaften ist ?Globe?-Projektpartnerin. Die Gruppe hat ?Lernfeld? mitentwickelt, begleitet das Programm und bietet nun den Kurs für die Jungforscherinnen und –forscher an. ?Lernfeld? ist an der ETH Zürich im Curriculum des Masterstudiums an den 澳门美高梅金殿n Biologie und Umweltsystemwissenschaften als Wahlfach etabliert. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhalten einen Kreditpunkt und ein Zertifikat, das ihre Umweltbildungs-und Outreach-Erfahrungen ausweist.

Weitere Informationen: externe Seite www.globe-swiss.ch

Sommerserie

Im Rahmen einer Serie pr?sentiert ETH-News w?hrend der Ferienzeit regelm?ssig Beitr?ge zu Forschung und Innovation, welche etwas mit der sch?nsten Zeit des Jahres zu tun haben.

Bisher erschienen:

11.07. Schwitzen für ein kühleres Singapur

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