«Wir suchen den bestmöglichen Mix von Präsenz- und Online-Unterricht»
Die Umstellung auf Online-Unterricht im letzten Semester hat an der ETH bestens funktioniert. Doch wie wird es im Herbst mit der Lehre weitergehen? Rektorin Sarah Springman gibt Einblick in die ?berlegungen, die zurzeit angestellt werden.
Frau Springman, werden die Studierenden im Herbstsemester in die ETH-H?rs?le zurückkehren?
Wir setzen alles daran, dass das Herbstsemester mit einem grossen Anteil an Pr?senzunterricht starten kann. Die detaillierten Planungsarbeiten sind zwar noch nicht abgeschlossen, viele Fragen noch offen. Doch wir haben gemeinsam mit den 澳门美高梅金殿n und den verschiedenen St?nden die Stossrichtung erarbeitet. Eingeflossen sind auch die Resultate einer Umfrage, an der 60 Prozent aller Dozierenden teilgenommen und erkl?rt haben, wo sie im kommenden Semester beim Pr?senzunterricht die Schwerpunkte setzen wollen. Und selbstverst?ndlich haben wir auch die Studierenden und Assistierenden nach ihrer Einsch?tzung gefragt. Dabei bestand von Anfang an Einigkeit: Bei allen notwendigen Einschr?nkungen wollen wir, dass m?glichst viele Studierende ihr Semester an der ETH starten k?nnen. Zudem sollen jede Studentin und jeder Student im Laufe des Semesters die M?glichkeit erhalten, einen Teil des Studiums vor Ort zu absolvieren.
Welche Aspekte sind in die Entscheidung eingeflossen?
Oberste Priorit?t hat die Gesundheit unserer Studierenden. Dabei meine ich aber nicht nur die physische Gesundheit. Wir müssen auch die psychische Verfassung berücksichtigen und vermeiden, dass Studierende l?nger unter sozialer Isolation leiden. Dann gibt es p?dagogische ?berlegungen: Zwar kann ein Grossteil des Stoffes online vermittelt werden. Doch für das Lernen ist der direkte Austausch der Studierenden mit den Dozierenden, aber auch der Studierenden untereinander entscheidend. Denn es ist der Pr?senzunterricht, der die hohe Qualit?t der Lehre an der ETH ausmacht. Schliesslich müssen wir uns am Raumangebot ausrichten, das uns unter den besonderen Bedingungen zur Verfügung steht.
Was bedeuten die Corona-bedingten Einschr?nkungen konkret für die Planung des Semesters?
Zun?chst vor allem Unsicherheit. Wir gehen bei der Planung von den momentan geltenden Regeln aus, die aber einen gewissen Interpretationsspielraum bieten. Wie Sie wissen, k?nnen diese sich jederzeit wieder ?ndern, sollte sich die Schweiz beispielsweise mit einer zweiten Welle konfrontiert sehen. Dies setzt bei allen Involvierten viel Flexibilit?t voraus. Dass wir das k?nnen, haben wir im letzten Semester bewiesen, als unsere Dozierenden und Studierenden praktisch über Nacht auf Online-Unterricht umgestellt haben. Zurzeit gehen wir davon aus, dass uns in den H?rs?len rund die H?lfte der normalen Kapazit?t zur Verfügung steht, dass also jeder zweite Platz frei bleiben soll. Das n?tige Platzangebot k?nnen wir schaffen, indem grosse Vorlesungen online stattfinden, und wir die R?ume insbesondere für kleinere Veranstaltungen und praktische ?bungen nutzen. Wir stellen uns auf ein Semester ein, das ganz im Zeichen von ?Blended Learning? steht, wir suchen den bestm?glichen Mix von Online- und Pr?senzunterricht. Hier kommt uns unsere langj?hrige Erfahrung zugute. Der direkte Austausch zwischen Dozierenden und Studierenden kann mit freiwilligen Pr?senzangeboten zu Randzeiten gew?hrt bleiben.
Lassen Sie uns nochmals auf die H?rs?le zurückkommen: K?nnen da die Abstandsregeln eingehalten werden?
Würden wir in den H?rs?len einen Abstand von 2 Metern einplanen, schrumpften die Kapazit?ten auf einen Fünftel oder weniger. Das liesse keinen vernünftigen Pr?senzunterricht zu. Hinzu kommen geb?udespezifische Fragen, die wir berücksichtigen müssen, insbesondere die unterschiedlichen Lüftungsanlagen. Wir sind aber überzeugt, dass wir durch den Einsatz von Hygienemasken, bauliche Massnahmen und eine intensive Reinigung der R?ume unseren Studierenden den Schutz bieten, den der Bund vorsieht. Wie immer in der Schweiz bin ich davon überzeugt, dass wir eine gute und praktikable L?sung finden werden.
Werden die Studierenden Schutzmasken tragen müssen?
Die Maskenpflicht ist eine Option, wenn wir so die M?glichkeit haben, Pr?senzunterricht anzubieten. Doch dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine endgültige Aussage machen. Es gilt auch zu beobachten, welche Auswirkungen die letzten Lockerungen durch den Bundesrat auf den Verlauf der Neuinfektionen in der Schweiz haben. Viele Faktoren spielen eine Rolle: Die meisten Studierenden kommen mit dem ?ffentlichen Verkehr auf den 澳门美高梅金殿. Zudem bleiben sie auch in ihrer Freizeit nicht einfach zuhause. Sie gehen ins Kino, in ein Restaurant oder auch mal an eine Party. Da helfen klare Vorgaben an der ETH. Sie tragen dazu bei, dass sich die Studierenden des Risikos bewusst sind und sich korrekt verhalten. Generell gilt für den Besuch von Lehrveranstaltungen die strikte Regel, dass niemand mit einer Erk?ltung, einem Schnupfen oder anderen Krankheitssymptomen an die ETH kommen darf. Ausserdem werden wir allen Studierenden nachdrücklich empfehlen, die SwissCovid-App zu benutzen.
Damit sprechen Sie das Contact Tracing an: Wohin zielen Ihre diesbezüglichen Gedanken?
Bei den Lehrveranstaltungen wissen wir, wer sich eingeschrieben hat. Das Contact Tracing spielt aber insbesondere bei unseren ?berlegungen zur Organisation der ?bungsgruppen, namentlich im Basisjahr, eine zentrale Rolle.
Wieso gerade im Basisjahr?
Dazu muss ich etwas ausholen: Das Basisjahr ist für die Studierenden normalerweise das h?rteste Jahr, weil da die Selektion stattfindet. In diesem Jahr entscheidet sich, ob sie die M?glichkeit haben, den ETH-Bachelor zu erlangen oder unsere Hochschule verlassen müssen. ETH-Studien haben gezeigt, dass soziale Netzwerke von Studierenden massgeblich zum Studienerfolg beitragen. In normalen Jahren knüpfen Studierende bereits in den Prestudy-Events erste Kontakte, die sich oft zu Lerngruppen oder Freundschaften über das ganze Studium hinweg und manchmal darüber hinaus entwickeln. Dieses Jahr müssen diese einführenden Veranstaltungen virtuell stattfinden. Um den Erstsemestrigen einen echten Austausch zu erm?glichen, ist es uns wichtig, dass sie eng miteinander interagieren k?nnen. Um ihnen auch dieses Jahr die gleichen Chancen zu bieten, ist die Idee entstanden, sie in Gruppen von jeweils rund zwei Dutzend Studierenden einzuteilen, die dann die ?bungen in allen F?chern gemeinsam absolvieren. So k?nnen Lerngruppen entstehen, die die Abstandsregeln nicht zu 100 Prozent einhalten müssen, weil wir die anderen Gruppenmitglieder schnell informieren k?nnen, wenn bei jemandem Krankheitssymptome ausbrechen.
Diese ?berlegungen t?nen sehr plausibel. Doch es gibt auch Studierende, die besonders gef?hrdet sind. Welche Schutzmassnahmen sind für sie vorgesehen?
Unser Ziel ist es, dass alle Vorlesungen, die im Pr?senzunterricht stattfinden, aufgezeichnet und innert kürzester Frist den eingeschriebenen Studierenden zur Verfügung gestellt werden. So haben nicht nur Studierende, die einer Risikogruppe angeh?ren, sondern auch alle anderen die M?glichkeit, dem Unterricht zu folgen. Dadurch werden auch die H?rs?le weniger stark belegt sein. Für ?bungsgruppen wird immer auch ein Online-Angebot zur Verfügung gestellt, auch im Basisjahr. Bei Praktika, Laborarbeiten und weiteren Veranstaltungen, die eine Pr?senz voraussetzen und bei denen die Abstandsregeln nicht eingehalten werden k?nnen, kommen Hygienemasken zum Einsatz.
Bisher haben wir über die generelle Stossrichtung gesprochen. Wer aber entscheidet nun, welche Veranstaltungen in welcher Form stattfinden?
Um die vorhandenen Kapazit?ten für den Pr?senzunterricht so gut wie m?glich nutzen zu k?nnen, waren wir schon bisher in engem Austausch mit den 澳门美高梅金殿n. Daraus ist die eben geschilderte Stossrichtung entstanden, die wir seitens Rektorat vorgeben. Aufgrund der speziellen Bedeutung des Basisjahrs planen wir die entsprechenden ?bungen zentral in den Akademischen Diensten. Die übrige Planung der Lehrveranstaltungen werden die 澳门美高梅金殿, konkret die einzelnen Studieng?nge und Dozierenden mit ihrer grossen Kompetenz übernehmen. Sie wissen am besten, für welche Art von Veranstaltungen der Pr?senzunterricht unabdingbar ist, beziehungsweise den h?chsten Nutzen stiftet. Wichtig ist die bereits erw?hnte Flexibilit?t, die Planung wird aber durch das Rektorat koordiniert und unterstützt. Je nach Verlauf der Pandemie müssen wir wieder über Nacht auf Online-Unterricht umstellen, oder wir k?nnen – im besten Fall – den Pr?senzunterricht weiter ausbauen.
K?nnen Sie bereits sagen, bis wann die konkreten Belegungspl?ne vorliegen und die Studierenden informiert werden?
Zurzeit arbeiten wir unter Hochdruck daran, das Vorlesungsverzeichnis an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Die ?nderungen der Studieng?nge werden dann phasenweise im Juli erfasst, so dass wir davon ausgehen, Anfang August das fertige neue Vorlesungsverzeichnis und die Semestereinschreibung freigeben zu k?nnen.
Zum Schluss noch eine Frage, die einer Gruppe gilt, die wir noch nicht angesprochen haben: Die Studierenden aus dem Ausland. Wie sieht die Situation für sie aus?
Studierende aus Europa k?nnen das Semester normal in Angriff nehmen, nachdem der Bundesrat die ?ffnung der Grenzen aus diesen L?ndern beschlossen hat. Immer vorausgesetzt, dass sich auch da bis zum Herbst keine Versch?rfung ergibt. Auch Studierende aus anderen L?ndern mit einer Aufenthaltsbewilligung k?nnen einreisen. Wer über keine Bewilligung verfügt, ist gezwungen noch zuzuwarten. Diese Situation ist nicht befriedigend, doch wir k?nnen daran nichts ?ndern. Wir prüfen zurzeit alternative L?sungen mit anderen Universit?ten. Ein reines Online-Semester zu absolvieren, ist wegen der Praktika und Laborarbeiten, die vor Ort stattfinden müssen, nicht m?glich. Ich bedaure das für alle Betroffenen. Wir erlauben aber ausnahmsweise allen Personen, die zu einem Masterstudium im Herbstsemester 2020 zugelassen sind, den Studienantritt um ein Jahr zu verschieben.