«Bei der Medizin liegt noch mehr drin»

Die Schulleitung der ETH Zürich hat neu einen Delegierten für Medizin: ETH-Professor Christian Wolfrum. Was sind seine Ziele, und wo liegen das Potenzial der Hochschule und der gr?sste Handlungsbedarf? ETH-News hat ihn gefragt.

Christian Wolfrum
ETH-Professor Christian Wolfrum ist seit dem 1. Juni Delegierter der Schulleitung für Medizin. (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)

ETH-News: Die ETH kannte bis jetzt Delegierte für Nachhaltigkeit, Chancengleichheit, Digitale Transformation und für Globales. Neu gibt es auch einen Delegierten für Medizin. Warum?
Christian Wolfrum: Die Medizin ist ein Themenschwerpunkt der ETH. Die ETH hat eine lange Tradition von hervorragender biomedizinischer Grundlagenforschung, und die ETH-Ingenieure leisten exzellente Arbeit in der Medizintechnik. Seit drei Jahren bilden wir Bachelorstudierende in Humanmedizin aus. In Zürich bilden wir zusammen mit der Universit?t und den universit?ren  Spit?lern einen starken Cluster und haben weitere Verbindungen zur Medizin. Es liegt aber noch mehr drin, und meine Aufgabe wird es sein, die Weiterentwicklung der medizinischen Forschung an der ETH zu unterstützen und die ETH in diesem Bereich weiter zu vernetzen.

Mit welchem Ziel?
Gemeinsam mit unseren Partnern m?chten wir diesen Forschungsbereich st?rken. Wir wollen, dass unsere Entdeckungen und ingenieurwissenschaftlichen Entwicklungen noch st?rker als bisher den Menschen zugutekommen, als Medikamente, Therapien, Diagnoseverfahren oder medizinische Ger?te. Der Bezug zum Menschen ist mir selbst in meiner Forschung wichtig, und ich denke, das gilt auch für viele andere Forschende an der ETH. Eine Umfrage unter den ETH-Professorinnen und -Professoren hat ergeben, dass rund ein Drittel von ihnen in Ihrer Forschung einen Bezug zur Medizin hat.

Wie m?chten Sie erreichen, dass mehr Patientinnen und Patienten von der ETH-Forschung profitieren?
Medizinische Forschung ist komplex und langwierig. Bis eine Entdeckung im Labor in eine Anwendung im Spital mündet, dauert es viele Jahre. Dabei muss auch deren Wirksamkeit in klinischen Studien aufgezeigt werden, wobei die regulatorischen Hürden oft hoch sind. Es gibt bei uns viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gerne klinisch forschen m?chten, aber noch keinen Zugang dazu haben. Dies sollten wir ?ndern. Wir wollen Forschenden aller 澳门美高梅金殿 helfen, klinische Studien zu organisieren und durchzuführen. Ausserdem m?chten wir in der medizinischen Fort- und Weiterbildung Akzente setzen, in enger Zusammenarbeit zwischen dem Rektorat und dem Bereich des Vizepr?sidenten für Forschung – zum Beispiel in den Bereichen klinische Studien, Ethik, Ern?hrungsmedizin und Digital Health.

ETH-Professorinnen und -Professoren geniessen in ihrer Forschung grosse Freiheit. Soll diese Bottum-up-Kultur in der Medizin nun mit verst?rkter Lenkung von oben beschr?nkt werden?
Die Bottom-up-Kultur tr?gt wesentlich zu unserem Erfolg bei. Daran soll die ETH festhalten. Ich werde in zwei Richtungen t?tig sein: Einerseits werde ich Ideen aus den einzelnen 澳门美高梅金殿n und Forschungsgruppen bündeln, unsere Schulleitung strategisch beraten und die Interessen der ETH gegenüber unseren Partnern vertreten. Andererseits wird es auch darum gehen, neue Forschungsinitiativen zu entwickeln und anzustossen – wie eben zum Beispiel die St?rkung der klinischen Forschung.

Nur wenige der rund 540 Professorinnen und Professoren sind ausgebildete ?rzte. Braucht die ETH mehr davon?
Diesen Aspekt wird man bei der Berufung von Professorinnen und Professoren in den n?chsten Jahren angehen müssen. In meiner Rolle als Delegierter für Medizin werde ich die Schulleitung diesbezüglich beraten. Zus?tzlich m?chten wir vermehrt ?rztinnen und ?rzte gewinnen, die bei uns für eine gewisse Zeit forschen. Ebenso wichtig ist aber auch, die bei uns t?tigen Naturwissenschaftler und Ingenieure medizinisch fortzubilden, damit sie Anwendungsm?glichkeiten ihrer Forschung in der Medizin erkennen und mit Medizinern diskutieren k?nnen. Umgekehrt setzen wir alles daran, den Humanmedizinerinnen, die wir bei uns im Bachelorstudiengang ausbilden, umfassende naturwissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln. All dies sollte es uns erm?glichen, erfolgreiche interdisziplin?re Teams zu schaffen, welche gemeinsam medizinische L?sungen erarbeiten.

Christian Wolfrum

Christian Wolfrum ist Professor für Translationale Ern?hrungsbiologie am Institut für Ern?hrung und Gesundheit der ETH Zürich. Er ist ausserdem Studiendirektor des Studiengangs Gesundheitswissenschaften und Technologie sowie seit drei Jahren Studiendirektor des neuen Bachelorstudiengangs Humanmedizin, den er massgeblich mitaufgebaut hat. Seit dem 1. Juni 2020 ist er zus?tzlich Delegierter Medizin der Schulleitung im Bereich des ETH-Vizepr?sidenten für Forschung.

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