«Der Zeitpunkt ist ideal»

Der renommierte Planetenforscher und Nobelpreistr?ger Didier Queloz wechselt an die ETH Zürich. Er wird hier zusammen mit anderen Professorinnen und Professoren in einem neuen Zentrum die Ursprünge des Lebens erforschen.

Didier Queloz
Didier Queloz wird an der ETH Zürich ein neues Zentrum leiten, das sich mit einer fundamentalen wissenschaftlichen Frage befasst. (Bild: Universit?t Genf)

1995 sorgte Didier Queloz zusammen mit seinem Doktorvater Michel Mayor international für Aufsehen: Die beiden Schweizer Astronomen entdeckten an der Universit?t Genf den ersten extrasolaren Planeten, der um einen sonnen?hnlichen Stern kreist. Für diese bahnbrechende Entdeckung wurden die beiden 2019 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

In den letzten Jahren war Queloz, der seit 2013 neben seiner Professur an der Universit?t Genf auch noch als Professor am Cavendish Laboratory der University of Cambridge (GB) t?tig ist, an der Entdeckung von zahlreichen weiteren Planeten beteiligt. Dabei fokussiert er sich in seiner Forschung zunehmend auf diejenigen Planeten, die potenziell bewohnbar sein k?nnten. Er erhofft sich von diesen Objekten Einblicke, wie das Leben auf der Erde entstanden sein k?nnte.

Diesen Sommer verl?sst Didier Queloz seine Alma Mater und wechselt als Professor für Physik an die ETH Zürich, wo er als designierter Direktor mithelfen wird, das neue ?ETH Center for the Origin and Prevalence of Life? aufzubauen, an dem sich Professorinnen und Professoren aus fünf 澳门美高梅金殿n beteiligen werden.

Herr Queloz, was hat Sie bewogen, in Zürich eine Professur anzunehmen?
Didier Queloz: Der Grund für meinen Wechsel ist ganz einfach: Es gibt an der ETH Zürich ein wirklich grossartiges Projekt! Wir wollen ein neues Forschungsgebiet erschliessen, das sich mit dem Ursprung des Lebens befasst. Der Zeitpunkt dafür ist ideal.

Warum?
In den letzten Jahren gab es in verschiedenen Forschungsgebieten rasante Fortschritte, die für dieses Thema relevant sind. In meinem eigenen Gebiet, der Astronomie, haben wir Tausende von neuen Planeten entdeckt, darunter auch kleinere Objekte, auf denen es Leben geben k?nnte. Wir konnten bei verschiedenen Planeten eine Atmosph?re nachweisen, wir wissen inzwischen auch einiges über die Zusammensetzung dieser Himmelsk?rper. Das zweite wichtige Feld ist die Erforschung unseres eigenen Planetensystems, insbesondere die Erkundung des Mars. Der Mars ist sehr wichtig für uns, weil er in der ersten Milliarde Jahre eine ?hnliche Entwicklung durchlief wie die Erde. Seither ist auf dem Mars nicht mehr viel geschehen, w?hrend sich die Erdoberfl?che aufgrund der Plattentektonik dramatisch ver?ndert hat. Der Mars zeigt uns, wie es vor 3,5 Milliarden Jahren auf der Erde ausgesehen haben k?nnte.

Weshalb ist das für die Erforschung des Lebens wichtig?
Das ist wichtig, weil zu dieser Zeit vermutlich das Leben auf der Erde entstand – und vielleicht auch auf dem Mars. Daneben gibt es noch andere Objekte in unserem Sonnensystem, die wir genauer anschauen sollten: die Venus zum Beispiel, oder die Jupitermonde. Diese Objekte zeigen uns, wie die verschiedenen Exoplaneten zusammengesetzt sein k?nnten.

Braucht es nicht auch Biologen und Chemiker, wenn man die Ursprünge des Lebens erkunden will?
Ja, diese Expertisen braucht es auch. In der Biochemie und Molekularchemie wurden in den letzten Jahren ebenfalls wichtige Fortschritte erzielt. Die Biochemiker k?nnen heute im Computer v?llig neue Verbindungen berechnen und sind in der Lage, Netzwerke von chemischen Reaktionen zu simulieren. Diese Netzwerke haben bei der Entstehung des Lebens vermutlich eine wichtige Rolle gespielt. Und schliesslich sind auch die Erdwissenschaftler wichtig; sie k?nnen uns sagen, welche Bedingungen auf der Erde herrschten, als das Leben entstand.

All diese verschiedenen Gebiete sollen nun im neuen Zentrum zusammenfinden?
Ja, die Fortschritte in den erw?hnten Gebieten haben die Ausgangslage v?llig ver?ndert. Wir müssen diese Fachrichtungen zusammenbringen, damit wir einen Schritt weiterkommen. Ich sehe in Cambridge, dass der Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen zu fruchtbaren neuen Ideen führt. An grossen Hochschulen wie Harvard, am Caltech oder eben in Cambridge entsteht zurzeit eine neue Community. Forschende aus ganz unterschiedlichen Richtungen wollen zusammen ein fundamentales Problem l?sen. Wir wissen noch nicht, wie weit wir kommen werden, aber wir sehen, dass wir in den n?chsten Jahren grosse Fortschritte machen k?nnen.

?Wir müssen die diversen Fachrichtungen zusammenbringen, damit wir einen Schritt weiterkommen.?  Didier Queloz

An der ETH Zürich gibt es diese Community noch nicht?
An der ETH Zürich gibt es viele fantastische Forscherinnen und Forscher, und es gibt auch etliche Leute, die sich genau in diese Richtung entwickeln wollen. Die ETH Zürich hat das Potenzial, sich in diesem Feld als führende Institution zu etablieren. Das ist auch für den Forschungsstandort Schweiz wichtig.

Was braucht es, damit eine solche neue Gemeinschaft entstehen kann?
Man muss bereit sein, sich auf das unbekannte Terrain zwischen den etablierten Fachgebieten vorzuwagen. Das ist anspruchsvoll – aber auch bereichernd. Ich hatte früher die naive Vorstellung, dass ich extraterrestrisches Leben nachweisen k?nne, wenn ich bei einem Planeten Sauerstoff in der Atmosph?re finde. Von den Geochemikern erfuhr ich dann, dass diese Vorstellung zu simpel ist. Das habe ich nicht von anderen Astronomen gelernt, sondern von Wissenschaftlern aus einem ganz anderen Bereich. Der Austausch über die Grenzen hilft, eigene Fehlschlüsse zu erkennen.

Und was braucht es auf institutioneller Ebene?
Es braucht eine gute Vernetzung, innerhalb der ETH Zürich und auch auf internationaler Ebene. Wir müssen sichtbar machen, dass wir an der ETH Zürich eine zentrale Frage erforschen, damit wir talentierte junge Menschen anziehen k?nnen. Aber das reicht noch nicht: Wir müssen diesen jungen Forscherinnen und Forschern auch eine Perspektive bieten, damit sie sich in diesem Feld etablieren k?nnen.

Worin genau sehen Sie Ihre Aufgabe an der ETH Zürich?
Zun?chst einmal bringe ich die astrophysikalische Expertise mit. Mit meiner Gruppe werde ich weiterhin nach neuen Planeten suchen, die Leben beherbergen k?nnten. Das wird mein Kernthema bleiben. Daneben bringe ich meine Erfahrungen ein, wie man Netzwerke aufbaut und Forschungsfragen zwischen den herk?mmlichen Gebieten angeht. Es gibt an der ETH Zürich sehr viel Kreativit?t, diese müssen wir zur Entfaltung bringen. In diesem Sinn verstehe ich mich als Brückenbauer.

?Gibt es auf diesen Planeten Leben? Die Leute sind besessen von dieser Frage. Das sollten wir nutzen.?Didier Queloz

Sehen Sie sich auch als Botschafter? Das Thema scheint Sie sehr zu faszinieren?
Es ist doch bemerkenswert: Wir verstehen heute sehr gut, wie Lebewesen aufgebaut sind, wie unser K?rper arbeitet und wie wir Krankheiten heilen k?nnen. Aber was war am Anfang? Wie genau entstand das Leben? Das wissen wir noch nicht. Das ist eine fundamentale Frage, ?hnlich wie die Frage nach dem Ursprung des Universums oder dem Beginn der Zeit. Wer weiss: Wenn wir dieser grundlegenden Frage nachgehen, finden wir vielleicht sp?ter ganz neue Anwendungen, beispielsweise in der Medizin. Es gibt dazu ein Paradebeispiel: Alle brauchen heute im Alltag ganz selbstverst?ndlich GPS-Navigationsger?te. Doch wenn Albert Einstein vor mehr als 100 Jahren nicht die Relativit?tstheorie formuliert h?tte, g?be es diese Technologie heute nicht. Es gibt noch einen anderen Aspekt, der mir wichtig ist.

Bitte.
Als Michel Mayor und ich vor fast 30 Jahren den ersten Exoplanten fanden, kam sofort die Frage: Gibt es dort Leben? Die Leute sind besessen von dieser Frage – zu recht. Dieses Potenzial sollten wir nutzen. Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die sich für Wissenschaften interessieren und die mit der wissenschaftlichen Denkweise vertraut sind. Deshalb gebe ich auch h?ufig ?ffentliche Vortr?ge. Und ich hoffe, meine Sprachkenntnisse sind bald so gut, dass ich einen Vortrag in Deutsch halten kann – aber ich kann nicht versprechen, dass es Schweizerdeutsch sein wird.

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