ETH-Forscherin will Harnwegsinfektionen mit Impfstoff vorbeugen

Giorgia Greter k?nnte in einem dieser minimalistischen, aber eleganten B¨¹ros einer Venture-Capital-Gesellschaft sitzen und das Potenzial von Start-ups und neuartigen Technologien analysieren, M?rkte zu zerr¨¹tten. Sie k?nnte auch statt Gesch?ftspl?nen Petrischalen in einem Labor untersuchen und als Akademikerin einige der grundlegenden Fragen des Lebens beantworten.

Stattdessen spricht die 29-j?hrige Forscherin begeistert ¨¹ber das Start-up, das sie auf demselben 澳门美高梅金殿 aufbaut, auf dem sie ihr Doktoratsstudium abgeschlossen hatte: dem H?nggerberg der ETH Z¨¹rich.

Das Start-up Baxiva entwickelt einen Impfstoff zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen (HWI). Solche Infektionen sind ?usserst unangenehm. Sie beginnen mit schmerzhaftem und h?ufigem Wasserlassen. Manchmal durchstr?men krampfartige Schmerzen den Unterleib und bisweilen tr¨¹bt Blut den Urin. Der K?rper kann es sehr schwer haben, diese Infektionen zu bek?mpfen. Unbehandelt kann die Infektion auch auf die Nieren ¨¹bergreifen und in seltenen F?llen zu einer lebensbedrohlichen Blutvergiftung f¨¹hren.

Immer mehr Resistenzen gegen Antibiotika

?Fast jede zweite Frau erkrankt mindestens einmal im Leben an einer Harnwegsinfektion. Einer von acht M?nnern bekommt sie auch, vor allem mit zunehmendem Alter¡°, erkl?rt Greter. Manche haben das Gl¨¹ck, nur selten an einer solchen Infektion zu erkranken. F¨¹r viele, insbesondere f¨¹r Frauen, ist es jedoch ein allzu bekanntes Problem, das immer wieder auftritt.

Greter weist darauf hin, wie h?ufig diese Infektionen sind und wie negativ sie sich auf die Produktivit?t und Lebensqualit?t auswirken. Studien haben gezeigt, dass Harnwegsinfektionen nicht nur Schmerzen und gesundheitliche Probleme verursachen, sondern auch Angst und Schuldgef¨¹hle: Menschen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen f¨¹rchten sich vor ihrer n?chsten Infektion.

So wie eine Person aus Greters n?herem Bekanntenkreis. Sie leidet unter wiederkehrenden Harnwegsinfektionen und muss daher mehrmals j?hrlich Antibiotika einnehmen.

Die derzeit einzige wirksame Behandlung, jene mit Antibiotika, f¨¹hrt zu einem Problem: ?Immer mehr E. coli entwickeln eine Resistenz gegen Antibiotika¡°, sagt Greter. Medikamente, die es seit Jahrzehnten gibt, wirken nicht mehr zuverl?ssig. Und dieses Problem wird rapide gr?sser.

Vom Darm- bis zum Harntrakt

E. coli, kurz f¨¹r Escherichia coli, ist ein Bakterium, mit dem Greter sehr vertraut ist: In ihrer Doktorarbeit in quantitativer mikrobieller ?kologie hatte sie E. coli im Darm untersucht und daf¨¹r die ETH-Medaille erhalten.

Zwar k?nnen Pilze oder Viren ebenfalls eine Harnwegsinfektion ausl?sen. E. coli ist jedoch bei Weitem der h?ufigste Verursacher.

Das Bakterium kommt von Natur aus in einem gesunden Darm vor. Die meisten St?mme sind nicht einmal in der Lage, Infektionen zu verursachen. ?Aber einige sch?dliche St?mme haben spezielle Werkzeuge entwickelt, um in die Harnwege einzudringen¡°, sagt Greter. ?Sie haben sogenannte Adh?sine, mit denen sie sich an der empfindlichen Auskleidung der Harnr?hre festsetzen und so verhindern, dass sie beim Wasserlassen ausgesp¨¹lt werden. Sie verf¨¹gen ¨¹ber Toxine, die unsere Zellen aufbrechen, um an N?hrstoffe zu gelangen, und sie haben eine sch¨¹tzende Polysaccharidkapsel, die diese Bakterien f¨¹r das Immunsystem nahezu unsichtbar macht¡°, beschreibt Greter. Die Wissenschaftlerin hat ein H?ndchen daf¨¹r, komplexe Dinge einfach zu erkl?ren.

Dies wird wichtig sein, um das Unternehmen zu finanzieren. Impfstoffe haben einen langen und kostenintensiven Weg vor sich, bis sie in Kliniken zum Einsatz kommen k?nnen. Greter sch?tzt, dass die Entwicklung ihres Impfstoffs ¨¹ber einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren Investitionen von mehr als einer Milliarde Schweizer Franken erfordern wird, bevor er in einer Apotheke oder Arztpraxis erh?ltlich sein k?nnte.

Das ist eine grosse Investition, gibt sie zu, ?aber es ist ein gewaltiges Problem, das es zu l?sen gilt, und diese Tests sind ein wichtiger Prozess, um festzustellen, ob ein Impfstoff sicher und wirksam ist, bevor er verkauft wird.¡° Das Projekt ist gut angelaufen, ihr Antrag bei der Schweizer Innovationsagentur Innosuisse wurde gerade genehmigt.

Dem Immunsystem beibringen, die Bakterienkapsel zu erkennen

Aber worin genau besteht Greters Ansatz? Sie sagt: ?Unser Immunsystem ist immer auf der Suche nach Bakterien, die in unseren K?rper eindringen, und es ist normalerweise sehr gut darin, sie abzut?ten, sonst w?ren wir nicht hier.¡° Aber diese sch?dlichen E. coli-Bakterien verstecken sich unter ihrer Polysaccharidkapsel vor unserem Immunsystem. ?Unser Impfstoff bringt dem Immunsystem bei, die Kapsel zu erkennen und anzugreifen¡°, erkl?rt sie.

Die Entwicklung eines solchen Impfstoffs ist keine einfache Aufgabe ¨C und hier kommt die Technologie von Baxiva ins Spiel. ?Um dem Immunsystem beizubringen, die Kapsel zu erkennen, m¨¹ssen wir das Polysaccharid mit einem immunstimulierenden Protein verkleben und diese Kombination in den K?rper injizieren.¡° Dabei handelt es sich um eine bekannte Art von Impfstoff, der als Glykokonjugat bezeichnet wird, wobei Glykan ein anderes Wort f¨¹r die Beschreibung von Polysacchariden ist.

Lange Zeit galt es als unm?glich, ein Glykokonjugat f¨¹r E. coli zu entwickeln, da ihre Kapseln aus vielen verschiedenen komplexen Polysacchariden bestehen, von denen jedes seine eigene komplexe Chemie aufweist.

Ein Impfstoff mit weniger Nebenwirkungen

Tats?chlich erforschen Giorgias Kollegen im Mucosal Immunology Lab, Emma Slack, Tim Keys und Christoph Rutschmann, seit Jahren die Oberfl?chenpolysaccharide von E. coli. Greter erkl?rt: ?Der Durchbruch kam, als unsere Gruppe begann, mit Chemikern der Bode-Gruppe zusammenzuarbeiten. Wir identifizierten eine spezifische chemische Klinke aller E. coli-Polysaccharide und unsere Kollegen aus der Chemie entwarfen einen ?Linker¡®, den perfekten Klebstoff, um diese Polysaccharide an ein Protein zu binden.¡°

Der Vorteil einer solchen Impfung besteht darin, dass harmlose Bakterien nicht beeintr?chtigt werden. Und da dieser Impfstoff genau definierte Bestandteile enth?lt, wird erwartet, dass er im Vergleich zu Impfstoffen, bei denen ganze abget?tete Bakterienzellen injiziert werden, weniger Nebenwirkungen hat.

Andere Impfstoffe ben?tigen Auffrischungsimpfung

Wenn man einmal gegen E. coli geimpft wurde, sollte man keine weitere Infektion bekommen, und schon gar keine Blutvergiftung, sagt Greter.

Dies unterscheidet sich von Impfstoffen, die in einigen L?ndern bereits verf¨¹gbar sind. Es gibt beispielsweise einen Impfstoff gegen Harnwegsinfektionen, bei dem man regelm?ssig eine Kapsel mit einem Cocktail aus abget?teten Bakterien einnehmen muss. K¨¹rzlich wurde eine Studie durchgef¨¹hrt, die ergab, dass fast die H?lfte derjenigen, die die Kapseln einnehmen, nach neun Jahren immer noch eine Harnwegsinfektion haben.

Ein anderer injizierbarer Impfstoff erfordert mehrere Dosen f¨¹r eine Grundimmunisierung und muss jedes Jahr erneuert werden. Er hat auch unangenehme Nebenwirkungen wie grippe?hnliche Symptome und in seltenen F?llen Herz-Kreislauf-Probleme. Dar¨¹ber hinaus ist seine Wirksamkeit umstritten.

Austausch im Labor

Diese Arten von Impfstoffen basieren auf einer anderen Technologie ¨C inaktivierte urspr¨¹ngliche Bestandteile von E. coli werden in diesen F?llen verimpft. Ohne die technologischen Fortschritte von Baxiva k?nnen diese Impfstoffe nur Immunreaktionen gegen bakterielle Strukturen ausl?sen, die normalerweise unter der dicken Kapsel verborgen sind, auf die die Impfstoffe von Baxiva abzielen.

Die Entwicklung der Baxiva-Impfstofftechnologie zeigt, dass die Wissenschaft oft nicht linear funktioniert. Sie veranschaulicht auch, wie wichtig menschliche Interaktion f¨¹r den Fortschritt ist. W?hrend Greters Doktorarbeit forschten Tim Keys und Christoph Rutschman, die sp?ter ihre beiden Mitbegr¨¹nder wurden, im selben Labor.

?Wir hatten an sehr unterschiedlichen Projekten geforscht und nie zusammengearbeitet. Aber so wie die Gruppe f¨¹r Schleimhautimmunologie funktioniert, bedeute es, dass wir immer gesehen und besprochen haben, woran der andere arbeitet¡°, erinnert sich Greter.

Neuorientierung mit Entrepreneur-Programm

Damals stellte sich Greter wie viele Doktoranden die Frage: Akademische Laufbahn oder freie Wirtschaft? ¡°Ich wollte alle meine Optionen pr¨¹fen. Also besuchte ich Informationsveranstaltungen, die von Beratungsfirmen, Pharma- und Risikokapitalgesellschaften organisiert wurden.¡° Bei Letzteren glaubte Greter, dass sie ihre wissenschaftlichen und analytischen F?higkeiten sowie ihren Tatendrang und ihre Entschlossenheit, etwas zu bewirken, gut einsetzen k?nnte.

Die Teilnahme an einem Programm an der ETH Z¨¹rich und den Universit?ten Z¨¹rich und Basel festigte ihre Karriereziele weiter. Bei ?Feminno¡°, einem Programm, das speziell zur F?rderung von Forscherinnen im Innovationssektor entwickelt wurde, erkannte Greter, dass sie ein Gesp¨¹r f¨¹r Entrepreneurship hat.

Ihre Kollegen Keys und Rutschmann, die mit ihren unternehmerischen Ambitionen und ihrer F?higkeit, Br¨¹cken zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu schlagen, vertraut sind ¨C schliesslich arbeiten sie Seite an Seite ¨C, wussten sofort, dass sie die richtige Person f¨¹r die Leitung des neuen Start-ups war. Seit 2023 arbeiten sie gemeinsam an ihrem ETH-Start-up Baxiva.

Wettlauf gegen die Konkurrenz?

Sie haben den Impfstoff bereits an M?usen getestet ¨C mit bisher vielversprechenden Ergebnissen. Jetzt suchen sie einen Spezialisten, der im Labor Impfstoffchargen in klinischer Qualit?t herstellen kann. Dann folgt die Kaskade an klinischen Studien und Tests.

Es gibt andere Unternehmen mit technologisch unterschiedlichen Impfl?sungen f¨¹r Harnwegsinfektionen, die sich bereits in der Testphase befinden. ?Die Marktbarriere f¨¹r den ersten Anbieter ist niedriger. Wir m¨¹ssen also beweisen, dass wir eine h?here Abdeckung oder einen besseren Schutz erreichen werden¡°, sagt Greter. Und f¨¹gt mit einem selbstbewussten L?cheln hinzu: ?Die Literatur deutet stark darauf hin, dass unser Ansatz, die Glykan-Kapsel ins Visier zu nehmen, der richtige ist.¡°