Von Lawinen und Wellen
Ein turbulentes Jahr geht bald zu Ende. Trotz Corona-Pandemie ist an der ETH Zürich viel erforscht, entwickelt und erfunden worden. ETH-News blickt auf 2021 zurück.
Januar
Was im Winter 1959 am russischen Djatlow-Pass geschah, wird nie restlos gekl?rt werden. Wissenschaftler der ETH Zürich und der EPFL finden aber eine neue Erkl?rung für das mysteri?se Unglück, das neun Skiwanderern das Leben kostete. M?glicherweise h?ufte sich durch starke hangabw?rts wehende Winde so viel Schnee an, dass trotz der geringen Hangneigung eine Lawine abgehen konnte und den Biwakplatz und vier Expeditionsteilnehmer unter sich begrub.
Menschen mit Beinamputationen k?nnten bald über neuartige, von ETH-Forschenden entwickelte Prothesen verfügen, die sensorische Empfindungen an die Nerven weiterleiten und den Betroffenen helfen, die Prothesen als K?rperteil wahrzunehmen.
Februar
ETH-Studierende nutzen Bambus, um mit Techniken der digitalen Fabrikation einen filigranen Pavillon zu erschaffen. Damit zeigen sie auf, was im Bauwesen mit natürlichen Materialien alles m?glich ist.
Schlagzeilen machen ausserdem 3D-gedruckte bioresorbierbare Atemwegs-Stents. Das k?nnte künftig die Behandlung von Verengungen der oberen Atemwege massiv verbessern. Heute werden dafür Stents aus Metall oder Silikon verwendet, die sp?ter operativ entfernt werden müssen.
M?rz
Viele Flüsse auf der Welt führen heute weniger Wasser als vor Jahrzehnten. In einigen F?llen wird das Wasser für die Landwirtschaft oder die Energiegewinnung genutzt. Der global bedeutendste Grund für den Rückgang liegt aber im Klimawandel, wie Forschende zeigen.
H?ufiger kommt es wegen des Klimawandels auch zu Unwettern und ?berflutungen. Als Folge davon müssen j?hrlich weltweit mehrere Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen. Berechnungen zeigen, dass die Zahl solcher klimawandelbedingten Binnenflüchtlinge mit jedem Grad, um das die Erde w?rmer wird, um 50 Prozent ansteigen wird.
Um frühzeitig vor Murg?ngen zu warnen, haben Wissenschaftler ein neues System entwickelt, das auf seismischen Messungen beruht. Künstliche Intelligenz unterscheidet dabei zwischen Erschütterungen durch einen Murgang und anderen Bodenvibrationen.
April
5,3 Billarden Tonnen Eis – um diese riesige Menge sind die Gletscher der Erde in den vergangenen 20 Jahren geschrumpft. Ein Team mit Beteiligung von ETH-Forschenden hat dies zum ersten Mal berechnet. Die Wissenschaftler zeigen ausserdem, dass sich der Gletscherschwund in dieser Zeit beschleunigt hat.
Andere ETH-Wissenschaftler entwickeln Nanopartikel die krankmachende Bakterien auch dann bek?mpfen k?nnen, wenn sie die Mikroben im Innern von K?rperzellen verstecken. Herk?mmliche Antibiotika erreichen das Zellinnere nur sehr schwer.
Mai
Einen Grund zum Jubeln haben die emeritierte Architekturprofessorin Anne Lacaton und ihr Partner Jean-Philippe Vassal: Sie werden mit dem renommierten Pritzker-Preis für ihre soziale und nachhaltige Architektur geehrt. Diese Auszeichnung gilt als der ?Nobelpreis für Architektur?.
Mit einer Online-Konferenz er?ffnet das Departement Umweltsystemwissenschaften das 150-Jahr-Jubil?um der Agrarwissenschaften. 1871 wurde an der ETH Zürich die Abteilung Landwirtschaft gegründet. Das Fach ist an der ETH bis heute bedeutend.
Ein internationales Forschungsteam unter ETH-Führung zeigt auf, wie chemische Substanzen die Proteinproduktion in Zellen, die vom Coronavirus infiziert wurden, hemmen und dadurch die Virusvermehrung verringern.
Der Planetenforscher und Nobelpreistr?ger Didier Queloz wechselt an die ETH Zürich und wird hier die Ursprünge des Lebens erforschen.
Juni
Spezialisten für Thermodynamik entwickeln einen Wasserkondensator für Regionen mit Wasserknappheit: Der Kondensator gewinnt ohne Energiezufuhr und rund um die Uhr Wasser aus der Umgebungsluft.
Anfang Monat erreicht die ETH die traurige Nachricht, dass Richard Ernst, emeritierter Professor für physikalische Chemie und Nobelpreistr?ger, im Alter von 87 Jahren verstorben ist.
Ein Wechsel gibt es bei der Schweizer Covid-19-Wissenschafts-Taskforce: ETH-Professor Martin Ackermann übergibt das Pr?sidium an seine Kollegin Tanja Stadler.
Juli
In einem Park in Venedig bauen Architekten zusammen mit Partnern eine gew?lbte Fussg?ngerbrücke aus additiv gefertigten Betonbausteinen, die sich nach altem Vorbild zu tragenden B?gen erg?nzen und ohne Armierungen auskommen.
Den Sommer nutzen ETH-Studierende, um im Rahmen des Projektes ?Autonomous River Cleanup? verschiedene automatisierte Verfahren zur Entfernung von Plastik aus Flüssen auf der Limmat zu testen.
Sein Nobelpreis für Physik j?hrt sich heuer zum 100. Mal: Albert Einstein war Student und Professor an der ETH Zürich – im Oktober erweckt ihn die Hochschule zu digitalem Leben.
Das h?tte den berühmten Alumnus gefreut: Nichts weniger als die Anatomie des roten Planeten vermessen Forschende der InSight-Mission, an der die ETH Zürich beteiligt ist. Mithilfe seismischer Daten blickten Erdwissenschaftler erstmals ins Innere des Mars.
August
Erhellend ist auch ein Sensormolekül, das Chemikerinnen und Zellbiologen schufen – es zeigt im K?rper leuchtend an, wo neues Gewebe entsteht. So kann es Tumore sichtbar machen oder bei der Erforschung gest?rter Wundheilung helfen.
Derweil sch?rfen Klimaphysiker und Informatikerinnen ihren Blick auf die irdische Atmosph?re: Gemeinsam mit Partnern entwickeln sie eine neue Dateninfrastruktur für hochaufgel?ste Wetter- und Klimamodelle, die Wolken, Gewitter und Stürme global simulieren k?nnen.
September
Auch die siebte Ausgabe der Scientifica ist ein voller Erfolg: Tausende Menschen besuchen die Wissenschaftstage der ETH und der Universit?t Zürich. An über 60 St?nden sowie in zahlreichen Veranstaltungen kommt die Bev?lkerung direkt mit Forschenden über Wissenschaftsthemen ins Gespr?ch.
Ein raffiniertes Verfahren haben ETH-Forschende entwickelt: Mit einer speziellen Versuchsanordnung gelingt es ihnen, akustische Felder in Echtzeit zu verfremden. Das prim?re Schallfeld wird dabei so ver?ndert, dass Gegenst?nde akustisch verschwinden oder nicht-existente vorgespiegelt werden.
Oktober
Die ETH Zürich er?ffnet auch im 澳门美高梅金殿 Zentrum ein Student Project House. Studierende k?nnen dort in grosszügig ausgestatteten R?umen ihre eigenen Ideen realisieren. Mit dem neuen Ideenlabor will die Hochschule die Studierenden ermuntern, Projekte umzusetzen, die nicht Teil des Curriculums sind.
Zu einem überraschenden Befund kommen ETH-Forschende, als sie die Wirkung von Grüntee untersuchen: Bestimmte darin enthaltene Wirkstoffe unterdrücken nicht wie bisher angenommen den oxidativen Stress, sondern f?rdern ihn kurzfristig. Das ist trotzdem gesund, weil die Abwehrmechanismen im K?rper so gest?rkt werden.
Anhand von 245 Vulkanausbrüchen k?nnen ETH-Forscher rekonstruieren, wie das Geschehen in der Magmakammer die Ausbruchsart eines Vulkans pr?gt. Entscheidend ist demnach, wie viel Wasser im Magma gel?st ist und wie viele feste Kristalle sich in der Schmelze befinden.
Einen besonderen Auftritt hat die ETH Zürich an der Olma, der gr?ssten Schweizer Messe für Landwirtschaft und Ern?hrung. Die Hochschule vermittelt mit interaktiven Games Hintergrundwissen und zeigt auf, wie der digitale Wandel die Landwirtschaft ver?ndert.
November
ETH-Forschende entwickeln einen mit Schallwellen angetriebenen Mikroroboter, der Medikamente zielgenau zu kranken Zellen im K?rper bringen k?nnte. Dabei lassen sie sich von einer Seesternlarve inspirieren.
Mit einer Mini-Solarraffinerie erzeugen ETH-Wissenschaftler unter realen Bedingungen CO2-neutralen Treibstoff aus Sonnenlicht und Luft. Das neue Verfahren k?nnte bedeutend werden für eine nachhaltigere Luft- und Schifffahrt.
Einen emotionalen Abschied feiert Sarah Springmann an ihrem letzten ETH-Tag als Rektorin. Ende Januar 2021 tritt sie nach 25 Jahren an der ETH in den Ruhestand. Die Hochschule verliert eine grosse Pers?nlichkeit.
Dezember
Physikern gelingt es zudem erstmals, Fehler in digitalen Quantensystemen fortlaufend und schnell zu korrigieren. Damit ist eine wichtige Hürde hin zu praxistauglichen Quantencomputern überwunden.
Die negativen Klima- und Gesundheitsfolgen von Plastik sind gr?sser als erwartet. Dies zeigen ETH-Forschende in einer Analyse der globalen Wertsch?pfungskette von Kunststoffen. Der Grund dafür: Der vermehrte Einsatz von Kohle für Prozessw?rme, Strom und als Rohstoff in der Produktion.
Ein Forschungsteam untersucht, wie man Hasskommentaren im Netz am besten begegnet. Reaktionen, die Empathie für die Betroffenen erzeugen, sind am wirkungsvollsten, w?hrend Humor oder Hinweise auf m?gliche Konsequenzen wenig helfen.